Dienstag, 19. Juni 2007

Das Ende ist der Anfang



Nach 77 Tagen sind wir letzten Mittwoch abend wieder hier in Longyearbyen einmarschiert - und unsere Tour ist zuende nach ueber 1000 km durch die wunderschoene Wildniss Spitzbergens.

Hier in Longyearbyen wurden wir herzlich Willkommen geheissen von Freunden und Bekannten, von denen einige uns die letzten Meter begleiteten und uns mit Champagner und Bier zum Feiern versorgten. Was waere eine Ankunft ohne die warme Begruessung von Freunden!

Was fuer ein Gefuehl war es nach 2 1/2 Monaten wieder hier in unserem Ausgangspunkt anzukommen? Nun, gerade in den letzten Tagen der Tour war ich in einem wahren Gefuehls-Mix aus Traurigkeit ueber das Ende der Tour, Freude das wir es den ganzen Weg geschafft haben und auch etwas Angst und Aufregung wie es sein wird wieder in die Zivilisation zu kommen. Denn in dieser Tour ging es nicht um das erreichen geographischer Punkte, es ging nicht darum die Insel durchquert zu haben - sondern darum die Schoenheit und Vielfalt Spitzbergens kennenzulernen (und das getreu dem Motto: 'Wer langsam reist, sieht mehr'), und das Leben im Zelt in der freien Natur zu geniessen (oder auch: 'Ich wollte nur mal etwas frische Luft schnappen'). Somit bedeutet das Ende der Tour nicht unbedingt das erreichen eines Ziels, sondern eher das Ende des Lebens und des Alltags der Tour.

Aber 'Jeder Abschied ist ein Neubeginn!', und somit ist dieses Ende der Anfang etwas neuen, eines etwas anderem Alltags und Lebens, welches aber genauso seine Probleme und seine geniessenswerten Seiten haben wird wie es das Leben und der Alltag in den letzten 2 1/2 Monaten hatte!

In diesem Sinne!
Hella

P.S.: Vielen Dank an alle die uns unterstuezt haben, Nachrichten geschickt haben und unsere Berichte verfolgt haben.

Dienstag, 12. Juni 2007

Rentier und Kater

Gestern haben wir uns mit einigen Freunden getroffen, um unsere Pulkas abzugeben. Auch haben sie einige Zeichen der Zivilisation mitgebracht, die nun nicht mehr so weit entfernt ist. Wir hatten ein sehr schönes Essen, das Zweite an diesem Tag. Ein Gericht mit Rentier, Karotten, Zwiebeln, Kartoffeln und noch mehr,4 Stunden lang gekocht, auch mit etwas Salz (gerade auf der richtigen Seite auf der Grenze zwischen genug und zu salzig).
Wir hatten einen schönen Abend mit einem Freudenfeuer am Strand und mit einigen anderen Dingen der Zivilisation. Sie machten diesen Abend zu etwas Besonderem.
Vielen Dank ihr Kumpel, wir haben es sehr geschätzt, auch, wenn einige von uns heute etwas gelitten haben.
P.S. Wir haben immer noch unsere Ski dabei und morgen müssen wir einen großen nicht mehr zugefrorenen Fluß überqueren!

Mats

Der Klang und die Stille

Da gibt es etwas, das kann man sich schwer vorstellen, wenn man wieder daheim ist, das sind Dinge, die hier in unserem täglichen Leben so viel ausmachen, die man kaum wahrnimmt, aber wenn man sie wahrnimmt, versteht man, daß sie etwas ganz Besonderes sind. Geräusche sind eines von diesen Dingen. Das Geräusch der Skier auf hartem Schnee, in weichem Schnee oder in geschmolzenem Schnee. Das sind alles unterschiedliche Klänge, sogar mein linker und mein rechter Ski machen unterschiedliche Töne.
Da ist der Klang der Skistöcke und das knirschende Geräusch des Schaftes der Pulka. Da ist der Wind, der deine Jacke vibrieren läßt, oder den Schnee herumbläst. Oder der Klang des Kochers, der dir manchmal sagt, daß du ihn wieder reinigen mußt. Das sind alles dieunterschiedlichsten Klänge, die unseren Alltag hier bestimmen und die man in einer Stadt oder an einem Platz, wo viele menschliche Aktivitäten stattfinden, garnicht bemerken würde.
Und dann haben wir die Stille, die Stille, die plötzlich auftaucht, wenn kein Wind bläst und alle schlafen außer dir. Die überwältigende Stille, die dich den Klang deiner eigenen Blutzirkulation hören läßt. Diese Stille wird man kaum irgendwo anders finden. Es ist eine totale Stille, so schön, sie fühlt sich an wie ein Vakuum.
Ich hoffe, ihr alle werdet eines Tages das Vergnügen haben, diese Stille zu hören und auch den Klang, der durch das Skifahren hervorgerufen wird.

Mats

Montag, 11. Juni 2007

Ein Frühling, an den man sich erinnert.

Mein erster Blog zu Anfang dieser Reise, der fast genau vor 2 Monaten geschrieben wurde, während dem klassischen "Week-14-Storm ", handelte von der Freude des Skifahrens, und allem drumherum. Weil dieses mein letzter Eintrag ist, fühle ich mich verpflichtet, darüber zu berichten, ob das oben genannte noch zutrifft. Wie hat sich die Reise in meinen Augen entwickelt? Ist skifahren immer noch ein Vergnügen?

Laßt mich beginnen mit den sichtbaren physikalischen Veränderungen um uns herum. Es gibt keine Nacht mehr, die Sterne leuchten beim täglichen Start, also bietet uns unserer sehr eigener Rhytmus eine 24-stündige Gemeinschaft. Wir haben die Zeit des Schlafens in den Tag gelegt und die Zeit des Skifahrens in die Nacht, wenn die Europäer schlafen. Die Temperaturen sind von minus 30 Grad auf komfortable 0 Grad gestiegen. Seit Anfang warten wir immer noch auf den wirklich starken Sturm, gerade so wie die Einwohner von Californien ein Erdbeben vorausahnen. Dieser würde einen echten Kampf gegen die Reibungskräfte herausfordern, und die Pulkas würden vom Untergrund abheben. Unter allen unseren Bedingungen sind die Pulkas unseren Skiern gefolgt, so wie ich es vor 2 Monaten festgestellt habe, wir können diese kurzen und weiten Schritte genießen, die uns an einen Punkt bringen, wo man vor Erschöpfung zusammenbricht, und doch, ich genieße jede Minute auf meinen Skiern!

Und dann ist da unsere Gruppe, die ihrer eigenen internen Wandlung unterworfen ist. Über die Wochen wurde der eigentliche mutige Geist von einer Entwicklung von inoffiziellen Koalitionen überlagert. Dieser natürliche Einschnitt war alles andere als unerwartet. Weil unsere Gruppe aus lauter Individualisten besteht, die nicht alle auf einer Wellenlängen sind, war es manchmal bitter und nichtsdestoweniger traurig. Ich vermute irgendwie, wir werden diese Reise alle in unterschiedlicher Weise in Erinnerung behalten, mit persönlichen großen Momenten im Gedächtnis, wie die turmhohen Berge, die aus den Wolken hervorkamen, wenn sich das "Whiteout" in einen blauen Himmel verwandelt hat. Wir sind sehr glücklich, Spitzbergen von dieser Seite gesehen zu haben, Schritt für Schritt.

Zuguterletzt ist die Zeit gekommen, die Ski abzunehmen, die letzten Herausforderungen zu vergessen, und sich der Tundra, den Wasserfällen und den bezaubernden Sümpfen hinzugeben, und sich der ungewohnten Bewegung des Wanderns zu stellen.
Alles soll dazu beitragen, daß die letzte Woche hier oben eine sein wird, an die man sich erinnert. Also so fühle ich mich derzeit. Ich vermute, ihr könnt mich in einer Woche fragen, ob ich recht hatte. Wie ich bereits gesagt habe, ist dieser Trip ein verwirklichter Traum von mir. Nun, wo die Zeit gekommen ist, aufzuwachen, wünsche ich mir, ich könnte den Wecker ab und zu überhören. Auf der anderen Seite, wenn man seine Augen an einem neuen Tag öffnet, wird man sehen, daß es etwas gibt, worauf man sich freuen kann.
Grüße aus unserem letzten verschneiten Lager.

KIM

Montag, 4. Juni 2007

Newton macht eine Pause

Es ist 20.30 Uhr. Ich bin gerade aufgestanden. Ich habe keine Ahnung, welcher Wochentag ist und kann mich gerade noch daran erinnern, daß wir Anfang Juni haben. Aber das ist alles eher unwichtig, wichtig ist, daß es ein Ausruhtag ist. Das bedeutet, daß wir heute unsere nomadische Tradition einer 8-stündigen Skitour vergessen, wir werden schlafen, ausruhen, lesen, und den Tag so genießen wie wir wollen. Also, ich muß zugeben, daß die eigentlichen Pläne für heute nicht die waren, uns auszuruhen. Wir haben direkt an dem höchsten Berg von Svalbard, dem "Newtontoppen" unser Lager aufgeschlagen. Ich vermute ihr wißt, wie wild wir darauf waren, den Gipfel zu besteigen. Aber das Wetter hat anders entschieden (Schnee und tiefe Wolken). Im Gegensatz zu meinen Begleitern, die 3-12 Stunden am Stück schlafen können, bin ich nicht wirklich ein langer Schläfer und um mich an Ausruhtagen wie heute zu unterhalten, ist nichts besser, als das Svalbard Buch über die Namen der Orte zu lesen .Dieses ziemlich schwere, aber sehr informative Buch, das Ulli und Kim netterweise seit Longyearbyen mit sich schleppen, berichtet über den Ursprung aller Ortsnamen auf der Insel. Diese Namen erscheinen in einer unglaublichen Verschiedenheit, es können große Geschichtenerzähler sein, oder es kann auch extrem langweilig sein. Ich würde euch zum Beispiel nicht raten, in dem Buch nachzuschauen, was "Flatbreen" ( Gletscher in Südspitzbergen ) bedeutet. Also es heißt nur, daß er ein flacher Gletscher ist.

Aber ich war wirklich überrascht festzustellen, daß Spitzbergen auch eienen Berg namens "Mt.Blanc" hat (485m hoch). Oder eine Bergkette, die nach dem französischen Politiker "Jean Paul Pierre Casimir Perrier" benannt ist ( weiß jemand, was er gemacht hat? )
Nun laßt uns zu Newtontoppen zurückkehren. Ich nehme an, ihr wißt, daß dieser Berg nach dem bekannten Mathematiker und Physiker Isaac Newton benannt ist. Es gibt sogar einen kleinen Hügel in der Nähe, der Eplet genannt wird, eine Anspielung auf Newton´s Apfel!

Grüße an alle von Euch, ihr lieben Leser! Noch ein paar Eisdecken sind zu überqueren und einige Täler zu durchqueren, und dann werden wir zurück sein in der Zivilisation.

Grüße, Lucas

(Anmerkung des Unterstützungsteams : Eine online-Version vom oben genannte Buch vom Norwegischen Polarinstitut kann unter http://miljo.npolar.no/placenames/pages/searchE.asp angeklickt werden)

Tagebuch vom Asgarbfonna

Ein weiterer Tag auf Asgarbfonna.

Wir laufen jetzt schon seit drei Tagen über die arktische Eisfläche im Norden von Spitzbergen. In meinem letzten Blog habe ich über den Sommer geschrieben, darüber, daß wir in T-shirt unterwegs waren und daß wir im Gras gelegen haben...
Jetzt bekommen wir eine andere Seite des Sommers in Svalbard zu spüren. Blaue Wolken hängen über der Insel, und da wir in einer der höchsten Gegenden sind, befinden wir uns in der Mitte der Wolken. Die Feuchtigkeit zusammen mit dem Wind, der über dieses endlose weiße Gebiet bläst, läßt alles andere als ein T-shirt willkommen heißen. Die weiße Umgebung wird nur ab und zu von einer Aussicht unterbrochen, ansonsten sind das einzigste, was eine Abwechslung in dieser fortlaufenden Unendlichkeit bietet, einige Ausrufe wie "einen Schritt nach links!" und "ppc" und " fünf Minuten Pause!"
Diese Ausrufe sind die am meisten gebrauchten Worte, seitdem wir hier draußen während der letzten zwei Monate Ski fahren: jede halbe Stunde wird die "Pole Position Change" (ppc) ausgerufen, der Erste, der Führer, der die Spur manchmal in tiefem Schnee macht, wechselt nach hinten und jede Stunde haben wir eine "fünf Minuten Pause", die ungefähr meistens zehn Minuten dauert, und dann kommen die anderen Ausrufe von der ersten Person in der Schlange, die für die Navigation zuständig ist, und den Kurs mit dem Kompass bestimmt und die ganze Gruppe dirigiert. So laufen wir Stunden um Stunden in den Wolken auf unserem Heimweg. Meine Gedanken wandern sowohl in die Vergangenheit, als auch in die Zukunft, ich denke dabei an Personen , die ich getroffen habe, an mein Leben mit Tagträumen, die von der Zukunft handeln, und wie schön es sein wird, nach Hause zu kommen, zu hause mit meiner Familie eine Tasse Kaffee zu trinken, oder ein Bier mit meinen Freunden, oder an andere Reisen, die ich im Sommer machen möchte.
Aber jetzt bin ich hier in Asgarbfonna, und wenn auch das Ski fahren manchmal schwerfällt, und wir in den Wolken stecken, so bin ich doch froh hier zu sein und der Gedanke irgendwo anders zu sein ist absurd, und nach jedem schlechten Wetter kommt gutes Wetter und die Mitternachtssonne wärmt uns, und wenn die Wolken verschwinden, können wir die wunderschönen Berggipfel sehen.

Hella.

Donnerstag, 31. Mai 2007

Von Beach Boys zu Eiszapfen

Letzte Woche standen wir an dieser Stelle noch in Boxershorts. Heute würde diese Kleidung den sicheren Tod innerhalb einer halben Stunde bedeuten. Ein kalter Tag, das ist sicher, trotz der relativ milden absoluten Temperatur. Denn der Sommer ist schon fast hier angekommen (obwohl es auch Leute gibt, die meinen daß es hier in Svalbard nie Sommer ist). Vor allem ist es wichtig, sich durch thermische Regulation im Gleichgewicht mit der Umgebung zu halten. Man könnte sogar behaupten, daß der wichtigste Aspekt des arktischen Reisens die thermische Regulation ist, die einen warm und trocken hält, bei der richtigen Wahl der Kleidung. Klingt einfach? Ist aber nicht!Zunächst braucht man mehrere Kleidungsschichten, wie eine Zwiebel.



Die unterste Schicht direkt am Körper, zum Beispiel "Devold Thermal Underwear", ist inzwischen schon vollgesogen mit dem Gestank, der davon kommt, daß man 2 Monate immer das gleiche anhatte. Ihr Hauptzweck besteht darin, dieFeuchtigkeit von der Haut fernzuhalten. Eine Freundin aus Nordnorwegen hat mir einmal gesagt: "Wenn man schwitzt , ist man tot", und ich bin mir sicher, sie hat damit keine Partie Squash gemeint. Hier draußen ist es der Schweiß, der als erstes friert, und dann wie ein Eispanzer um einen herum liegt. Man kann schneller erforen sein,oder sich zumindest ziemlich mies fühlen, als man "Eis ist schön" sagen kann.

Aber laßt uns zu unserer Zwiebel zurückkehren, die Isolierschicht ist das Wichtigste bei der thermischen Regulierung. Die zweite Schicht ist dafür da, dich warm zu halten, dafür kommt alles von Wollpullover bis Fleece in Frage. Man kann hier auch mehrere Schichten tragen, aber man muß daran denken, was passiert, wenn man schwitzt.

Zuguterletzt, die äußerste Schale. Sie muß dich vor Schnee, Wind und Kälte schützen und trotzdem den Schweiß herauslassen. Unter unseren Bedingungen werden alle äußersten Schichten früher oder später zu Eispanzern, aber solange sie die Kälte abhalten, ist es in Ordnung.

Also, warum ist das alles so relevant? 1000 Meter tiefer, an den mediterranen Küsten von Wijdefjorden, blühen die Blumen und die Rentiere grasen, aber hier oben haben wir die Sonnencreme und die Sonnenbrillen gegen Gesichtsmasken und Skibrillen ausgetauscht. Um es ganz offen zu sagen, müssen sich die Rentiere um die thermische Regulierung keinerlei Sorgen zu machen, weil die Natur sie dazu bestimmt hat, hier zu leben. Im Gegensatz dazu sind wir nur 5 (und ein halber) kleine Fremde in einer Umgebung, in der einen schon ein einfacher Schneesturm in die Knie zwingen kann. Zugegeben, die Pulkas bergauf in einem halben Meter schwerem Neuschnee zu ziehen, ist für niemanden ein Vergnügen. Hier ist es einfach zu verstehen, wie man Respekt gewinnt vor der Schneekönigin und ihrer Umgebung. Nun wißt ihr, warum man thermische Regulation braucht, was sie bedeutet, und ihr wißt auch, was ohne sie passiert......

Einer der gefrosteten Fünf.